Literatur- und kulturwissenschaftliche Theorien vermehren sich bei gelehrter Stallfütterung (Lichtenberg) wie die Karnickel. Noch mehr große Würfe aber wollen wir uns nicht an den Hals laden. Was vonnöten wäre, ist vielmehr ein Proliferationsstopp. Die vorliegende Polemik greift dazu auf eine in Verruf geratene Praxis zurück: das Zuhören. Die Schreibweisen, denen wir unser Ohr leihen, sind […]
Dies ist das Ländchen Wohlgemut da herrscht ein frohes Treiben Dem Staatsmann quillt sein Konvolut vor lauter Dankesschreiben Schon Kindern ist so wunderbar daß sie mit Tränen kämpfen und Greise schlucken Pharmaka die Lebenslust zu dämpfen So geht das große Ringelreihn tief in die lauen Nächte wir alle wollen Brüder sein und keiner hält mehr […]
Warum hat der Dritte Weltkrieg nicht stattgefunden? Das ist die Leitfrage des vorliegenden Buches. Es beschreibt die Rolle der apokalyptischen Phantasie, die sich und uns das Schlimmste ausmalt, um es zu verhüten. Einen Grund zum Feiern gibt es trotzdem nicht. Die Arsenale sind weiterhin gefüllt. Der Kampf der Kriegsspiele und Simulationen geht weiter. Ulrich Horstmann: […]
Gäbe es den Anschauungsunterricht der „großen“ Historie nicht, so könnte einen schon die Binnengeschichte der Melancholie melancholisch werden lassen angesichts jenes unermüdlichen Verkleinerns, Verkennens und Verketzerns, das in ihr den Ton angibt. Die Medizin, die Theologie, die „aufgeklärte“ Philosophie, sie alle entwickeln „Roßkuren“ gegen die Schwermut. Ihre Triumphe sind endlos, während die Melancholie von Niederlage […]
Es war Homer, der die Urszene aller Totenreisen schuf und damit eine Tradition begründete, die bis in die Gegenwart reicht. Aber wie sieht es nun aus, das Jenseits der Dichter? Welche Schattenreiche hat ihre Phantasie hervorgebracht? Für die vorliegende Anthologie wurden Texte aus rund zweieinhalb Jahrtausenden ausgewählt. Entstanden ist ein dunkles Kaleidoskop, das die Unterwelt […]
In diesem Lesebuch ist eine illustre Gesellschaft des „angeschwärzten Lebensgefühls“ versammelt, die den Facettenreichtum der melancholischen Geisteshaltung in der Neuzeit vor Augen führt. Wer ihre Texte liest, wird entdecken, daß Melancholie keineswegs die Dumpfheit des Trübsalblasens ist. Vielmehr ist sie jene mit Humor und ironischem Hintersinn gepaarte Distanz zur Welt, die uns dem Terror des […]
Zu Lebzeiten (1949-2008) firmierte er als Ulrich Horstmann: Horst-Ulrich Mann, Doppelgänger seiner selbst, schrieb zeitlebens unter einer Tarnkappe. Sein Herausgeber hat sie gelüftet. Damit sehen wir einen literarischen „Kampfschweiger“ Gestalt annehmen, dessen Werk man manches nachsagen kann, nur keine Verwechselbarkeit. Horst-Ulrich Mann (Pseud.): Kampfschweiger. Gedichte 1977-2007. Shoebox House Verlag, Hamburg 2011. Kampfschweiger (Auszug) als PDF
Schriftsteller wollen immer schreiben, denkt man. Doch es gibt Ausnahmen: Dichter, die das Schreiben aufgegeben haben. Warum? Und wie kommen sie damit zurecht? Ulrich Horstmann porträtiert diese ungewöhnlichen Menschen (von Hölderlin über Rimbaud bis Salinger und Hildesheimer) und untersucht die unterschiedlichen Motive und Strategien des Verzichts. Die Aufgabe der Literatur oder Wie Schriftsteller lernten, das […]
Dies ist eine literaturwissenschaftliche Publikation und Provokation. Sie unternimmt – am Beispiel Philip Larkins – den Versuch, die konventionelle Interpretationspraxis zu substituieren durch das Zusammenspiel von Übersetzung und (kurzem) Kommentar. Damit grenzt sie ihren Geltungsanspruch zunächst auf ein bestimmtes, aber sehr umfangreiches Textkorpus ein: das fremdsprachige Gedicht. U. Horstmann: Das Larkin-Projekt. Probeläufe einer hybriden Gedicht-Lektüre. […]
Ulrich Horstmann, nicht zu verwechseln mit seinem gleichnamigen Erfinder, ist von der Rolle. Verknüpfungswahn, diagnostiziert die Psychiatrie und zieht den Hochschullehrer aus dem akademischen Verkehr. Macht nichts, denn der Zwangspensionär hat anderweitig noch ein Hühnchen zu rupfen, mit seinem Urgroßvater nämlich, der 1887 verwitwet und unter Hinterlassung von vier kleinen Kindern aus der Weltgeschichte verschwunden […]
„Es gibt die große und die kleine Unsterblichkeit, d.h. die Revokation des Todes durch das Andenken der Nachwelt und sein Unterlaufen über den multiplen Exitus. Totgesagte leben länger …“ – Ulrich Horstmann (1949-2004) hat bisher drei Bände mit Aphorismen veröffentlicht. „Hoffnungsträger“ ist seine erste posthume Publikation. Hoffnungsträger. Späte Aphorismen und ein Entlassungspapier aus dem Dreißigjährigen […]
J. M. Coetzee (…) wurde von der internationalen Kritik aufgebaut. Horstmanns Studie fragt nach den Gründen und Interessen. Gleichzeitig werden die Vor-Haltungen und Vorgaben betrachtet, aus denen heraus Coetzee schreibt und von denen er sich nur mühsam befreien kann. Die Sozialisation im von Apartheid geprägten Südafrika ist eine solche Hypothek, nicht anders als die Doppelexistenz […]
Horstmanns Gedichte spannen einen weiten Bogen. Sie heben an bei den Göttern, die die Ursuppe satt haben und denen stattdessen nur noch Protoplasma auf die „abspeisungstafel von welt“ kommt. Von hier aus wandert der distanzierende Blick weiter, vorbei an den Mammut-Schlächtern des Pleistozäns, bis hin zu der sich am Fett der Hochzivilisation mästenden Moderne, in […]
Nur schwer wird man sich dessen enthalten können, den Autor als Ketzer, seiner Thesen als blasphemisch zu brandmarken. Gilt ihm doch das Leben der menschlichen Gattung nicht nur nicht mehr als erhaltenswert, sondern erscheint ihm die menschenleere, vermoderte Welt auch als überaus wünschbar und plädiert er offen und ohne jede Ironie für die unwiderrufliche Abschaffung […]
Als ich aus der gekachelten Passage auf die Plattform trete, bin ich auch schon im Bilde. Der Sehnerv registriert: den Strang, sein penibel verdrecktes Betonbett, die überwölbte Starkstromschiene, hinterrücks Werbung. Der Blick wandert über die Handvoll Spätheimkehrer, abgekämpft, ausgefeiert, wechselgeschichtet, die so fallsüchtig dastehen, als rollte jedem gleich sein Radlager herein. Ich sehe die elektronische […]