Schwedentrunk. Gedichte. (1989)

„Schwedentrunk“ ist eine Bezeichnung für eine Foltermethode: Im Dreißigjährigen Krieg flößte man den Opfern Gülle ein, um sie zum Reden zu bringen. Horstmanns Gedichte sprechen von einer Zivilisation, die an ihrem eigenen Unrat erstickt. Sie verwenden spielerisch und überzeugend die klassischen Lyrikformen und sind doch listige und aggressive Zeitkritik. Und sie benutzen dabei eine ganz ähnliche Wahrheitsdroge.

Schwedentrunk. Gedichte. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 1989.

 

Pressestimmen

Man sieht, auch Horstmann, von dem streng geformte Poesie vordem kaum zu lesen war, hat sich der neuesten Mode angepaßt und sich dem Reimen auf flinken Versfüßen verschrieben. Zwar gibt es auch einige andere Texte in freien Rhythmen, kleine Geschichten und Genreszenen wie etwa das hübsche Bildchen „Landregen, westfälisch“. Doch nicht derlei nette lyrische Kleinigkeiten machen den Band „Schwedentrunk“ aus, sondern die kritisch und aggressiv gemeinten Texte, die offenbar provozieren sollen (…). Zur Idylle der Form stünden die Inhalte im schärfsten Kontrast, heißt es im Verlagstext zu Horstmanns Versen. Das ist wohl wahr – aber der Kontrast, die Spannung wird nicht produktiv genutzt, die muntere Form wirkt bloß unangemessen, der Ton erscheint als leichtfertig. (…) Übrigens stören bei Horstmann gelegentlich unreine Reime wie „Fliesen / genießen“, „Drüse / Füße“, „Gezweig / ins Zeug“. Bei solchen Formfehlern wird eine Absicht ebensowenig erkennbar wie dann, wenn der Autor mit den Jamben nicht fertig wird und mit seinen Versfüßen ins Stolpern gerät. Ein gelegentlicher Blick in Wolfgang Kaisers „Kleine deutsche Versschule“ wäre sicher von Nutzen für Ulrich Horstmann, der ja kein lyrischer Hochseilartist ist, sondern ein postmoderner Reimbastler, der sich Mühe gibt.

Jürgen P. Wallmann: Frech auf flinken Versfüßen. In: Der Tagesspiegel, 26.3.1989.

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Den meisten Gedichten fehlt es an gedanklicher Originalität, und auch sprachlich zeigen sie wenig individuelles Profil. Horstmann benutzt häufig die im Alltag umlaufenden Wendungen, er gewinnt aber keine Distanz zu ihnen, weshalb seine Verse im Bann des konventionellen Redens bleiben. (…) Durch den (…) Mangel an sprachlicher Sensibilität werden Horstmanns Gedichte nun nicht gerade zu einem Schwedentrunk für den Leser. Ihr Hauptmangel liegt vielmehr darin, daß sie auch dort noch harmlos und gefällig bleiben, wo sie kritisch sein wollen. Niemand wird sich gefoltert fühlen, wenn ihm ein wenig vom heute verbreiteten Unbehagen, ein wenig Weltschmerz und einige lyrische Momentaufnahmen eingeflößt werden.

Jürgen Jakobs: Hure TV. Gefälliges über die Öde des Lebens. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 13.6.1989. (Zu: „Schwedentrunk“)

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Horstmanns Lyrik atmet nach gnostischem Muster den Geist einer universalen Unheilsgeschichte. Der Wille zur Vernichtung durchwaltet die Welt von Anbeginn. (…) Horstmann bleibt dem radikalen Pessimismus, dem er sich verschrieben hat, treu, und doch will man ihm nicht so recht glauben. Dem Leser kippt Ulrich Horstmann einen Melkkübel voll garstig Mistlachwasser in den Schlund, sich selbst und seiner weiblichen Begleitung nach vollendeter Arbeit am Schmutz der Welt ein gepflegtes westfälisches Bier. Die polnische Widmung „Ale Piwo dla Heleny“ („aber ein Bier für Helene“) nimmt den Titel des Bändchens auf und setzt ihm eine Welt außerhalb der Literatur entgegen. Der westfälische Apokalyptiker entpuppt sich als Genießer. Wenn morgen die Welt unterginge, so tränke er heute Abend in Ruhe sein Bier. Na zdrowie!

Uwe Wolff: Ein Bier für den Apokalyptiker. In: Neue Zürcher Zeitung, 8.9.1989. (Zu: „Schwedentrunk“)