Jeffers-Meditationen oder Die Poesie als Abwendungskunst. (1998)

„Es existiert eine Freude des Freigebens, mit dem man dem nachsieht und nachdenkt, was von Natur aus (menschen)flüchtig ist. Das Handwerkszeug der Philologie wirkt in solchen Fällen oft grobschlächtig und taktlos. Es brauchte behutsamere Umgangsformen. Hoffen wird, daß sie sich wie von selbst aus der Scheu entwickeln, einem Menschen zu nahe zu treten, der auf Distanz hielt. Und lassen wir es guten Gewissens zu, wenn die Interpretationen darüber auch die Ausgangssperre in eigener Sache aufgeben und zu Meditationen werden.“

Jeffers-Meditationen oder Die Poesie als Abwendungskunst. Mattes Verlag, Heidelberg 1998.

 

Pressestimme

So unspektakulär wie möglich sollte er in die Tat umgesetzt werden, Ulrich Horstmanns behutsamer Annäherungsversuch an einen Dichter, der „auf Distanz hielt“ und der sich den Zudringlichkeiten seiner Zeitgenossen fintenreich zu entziehen wusste. Der Giessener Amerikanist (…) ist erklärter Gegner einer nassforschen Lehrbuch-Philologie, deren Handwerkszeug „in solchen Fällen oft grobschlächtig und taktlos“ wirkt. Horstmanns Deutung empfiehlt sich durch den subtileren Umgang mit der Berührungsangst ihres Gegenübers. Soviel scheint sicher: Robinson Jeffers (1887 bis 1962), dessen Gedichte Gegenstand des vorgelegten Bandes sind, hätte vor dem „wichtigen Versuch über den großen Unzeitgemässen der amerikanischen Literatur“ (Botho Strauss) den Hut gezogen. Horstmanns Sondierungsversuche wollen den Eigensinn und die tiefverwurzelte Fremdheit des Exzentrikers Jeffers nicht beschönigen. Und so bläst dem Leser die steife Brise in den abweisend-trotzigen Bildern aus Jeffers’ Zufluchtsort, dem zerklüfteten und unbezähmbaren Carmel-by-the-Sea, mitten ins Gesicht. Leitmotivisch erscheint Jeffers‘ Anverwandlung an den „solidesten Aggregatzustand“, das Erratische und Steinerne: Da verbreiten sagenhafte Riesen als „Abgesandte des Anorganischen“ ihre emotionale Kälte, da würdigt ein „Höhlengedicht“ eine uns bevorstehende neue „Prähistorie“. Konturierende Ausführungen zur Wissenschafts-, Philosophie- und Literaturgeschichte verleihen Horstmanns Versenkung in die Steintal-Lyrik Bodenhaftung.

Frank Müller: Im Steintal der Lyrik. In: Neue Zürcher Zeitung, 19./20.12.1998. (Zu: „Jeffers-Meditationen“)