Die Theaterstücke (1981-1987)
- Terrarium oder Einführung in die Menschenhaltung. München: Stückgut, 1981.
- Würm. Ein Spektakel aus der Nachgeschichte. München: Stückgut, 1981.
- Der Spender. Eine Komödie für Empfängnisbereite. München: Stückgut, 1984.
- Silo. Ein Lehrstück für Brutpflege. Göttingen: Deutsche Dramaturgie, 1984.
- Ufo oder der dritte Strand. Eine leicht versandete Komödie. München: Stückgut, 1987.
Alle abgedruckt in: Beschwörung Schattenreich. Gesammelte Theaterstücke und Hörspiele 1978 bis 1990. Paderborn: Igel, 1996.
Pressestimmen
Das Pfalztheater Kaiserlautern feiert 1987 sein 125jähriges Bestehen – daß es noch einmal 125 Jahre werden, kann man nur hoffen. Denn die Stadt liegt bekanntlich nicht nur im Herzen der Pfalz, sondern auch auf dem Pulverfaß amerikanischer Militärdeponien. Es ist daher konsequent, wenn ein Theaterstück, das mögliche Folgen eines Atomkrieges thematisiert, hier uraufgeführt wird. (…) „Silo – ein Lehrstück in Brutpflege“ ist als Tragödie des blinden Gehorsams konzipiert. (…) Nach einem atomaren Schlagabtausch liegt das Land nicht in Trümmern, sondern in Asche. Nur in dem unterirdischen Silo einer Atomraketen-Abschußbasis verharren noch vier Soldaten. (…) Der 37jährige Horstmann, Anglistikprofessor in Münster, hat der dramaturgischen Notwendigkeit die Logik geopfert. So verweigert sich der Kommandant – strenggenommen – seinem eigenen Befehl, wenn er dem zum Tode Verurteilten eben nicht tötet, nur damit das Spiel weitergehen kann. Und die Außenarbeiten werden allein deshalb zum Himmelfahrtskommando, weil der Autor noch nie etwas von Strahlenanzügen gehört zu haben scheint. Andererseits gibt es aber auch dramaturgische Schwächen: Statt des langsamen Aufbaus einer Spannungskurve beginnt das Drama gleich mit Knallerei. Zudem sind die Figuren zu sehr typisiert: Blindwütiger Chef und ohnmächtiger Aufbegehrer, frommer Feigling und sarkastischer Kommentator. Auf der Bühne von Max Burger, der die Kommandozentrale in einen von antiseptischer Silberfolie umrahmten Glaskäfig gebaut hat, spielen die Akteure (…) voller Pathos. Das ist gerade das Verkehrteste! Horstmann will Bilder von jenseits der Katastrophe zeichnen, seine Stücke sollen Zeitsonden sein, die „abbilden, was kommt“. Aber solchen apokalyptischen Szenarien ist heute nur noch mit der Farce beizukommen. Regisseur Walter Weyer hat jedoch die schockierende Holzhammermethode vorgezogen.
Lutz Tantow: In allen Silos herrscht Ruh‘. In: Saarbrücker Zeitung, 12.1.1987.
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Der Krieg ist vorbei, die Erde strahlt in apokalyptischer Zufriedenheit: Kraterwüsten und Mega-Rem, viel mehr ist nicht geblieben. Nur Leibniz noch, ein Fanatiker in Uniform, und seine Mannen im Atomraketen-Silo. Der Krieg ist längst vorüber, aber die bockige Rakete muß noch gestartet werden, Befehl ist Befehl. Das Ganze ist so verrückt und grotesk-komisch wie die Geschichte Stanley Kubricks vom Doktor Strangelove: Auch Offizier Leibniz lernte, die Bombe (und den schieren Kadaver-Gehorsam) zu lieben. „Silo“, das Endzeitstück des 37jährigen Anglisten Ulrich Horstmann, der in den vergangenen Jahren auch als Autor skurril-phantastischer Prosa („Würm“) bekannt wurde, ist ebenso irreal wie unglaubwürdig: Es lebt allein aus unserer dunklen Ahnung, daß dieser ganzen gallig-absurden Geschichte vom toll gewordenen Kommandanten wohl doch ein Körnchen Salz innewohnt, jener nackte Wahnsinn, der längst Teil unserer sogenannten Normalität geworden ist. (…) In Kaiserslautern baute Max Burger den Kommandostand in eine Art überdimensionalen Plexiglas-Brotkasten hinein, ausgestattet mit allerlei elektronischem Spielzeug und bunten Kontrollämpchen, Puppenstuben-Realismus, der als ironisches Zitat aller der imposanten Cinemascope-Gefechtsstände „made in Hollywood“ hätte dienen können. Walter Weyer aber inszenierte die greuliche Groteske als krudes Kammerspiel, trieb die Figuren allzu sehr in einen psychologischen Szenenrealismus, für den der Text nur eine schmale Basis liefert. Leibniz, der hier schon etwas angegraute High-Tech-Rambo in militärgrünem Overall und Knobelbechern und sein aberwitziger Amoklauf verloren an Effekt und Bedrohlichkeit, je mehr die Inszenierung zu ziselieren versuchte, wo sie spitz und mit typenpointierter Überhöhung das treffend Absurde und das uns Treffende hätte hervortreiben müssen.
Eckhard Francke: Tschernobyl und die Theaterfolgen. In: Mannheimer Morgen, 12.1.1987.
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Wer in „Silo“ eine Auseinandersetzung mit dem herrschenden Zeitgeist erwartet, sieht sich (…) enttäuscht. Das Stück läßt sich auf den Konflikt zwischen einem unverbesserlichen Militaristen und blinden Befehlsempfänger und seinen drei Untergebenen reduzieren, denen die Sinnlosigkeit des Befehls und ihres Weiterlebens klar geworden ist. Auf Zusammenhänge oder gar Hintergründe wird in „Silo“ verzichtet. Aus dem Endzeitstück wird so eher ein Psycho-Drama über das Verhalten von Menschen in einer extremen Situation. So muß vor allem das Bühnenbild, das vor die elektronische Schaltzentrale des Raketensilos sechs Bildschirme mit wechselnden Mondlandschafts-Aufnahmen postiert, den Zuschauer immer wieder daran erinnern, daß es um den „großen Knall“ geht. Obwohl Regisseur Walter Weyer auf Action-Theater setzt, bleibt in dem Stück die große Spannung aus. Zu holzschnittartig sind die Charaktere angelegt. Auch der Schluß des bei der Premiere vom Publikum mit freundlichem Beifall bedachten Stücks bringt keinen Überraschungseffekt.
Thomas Maier: Psycho-Drama in der Kraterwüste. In: Westfälische Rundschau, 12.1.1987.
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Vollmond war über Kaiserslautern, und dazu Galaktisches im Landeanflug! Mit tastenden Scheinwerfern kam da oben ein Riesenapparat wie vom anderen Stern, wenn auch nur von den Amerikanern. (…) Bei frühzeitigem Erscheinen gab es jedenfalls am Donnerstag draußen die erste Szene. Die andere, vom Autor angestrebte Landung, war dann ziemlich hart. Ulrich Horstmann setzte mit seinem Einakter „UFO oder der Dritte Strand“ ungefähr so auf, wie der Titel klingt, und das auf grobem Kies. Denn Reinhard Papula, Oberspielleiter des Pfalztheaters, hatte sein Ensemble nicht nur durch Annahme des Textbuches auf einen steinigen Weg geschickt, sondern auch noch als Regisseur. (…) Horstmanns Vorlage enthält (…) Verwandlungen, die den Eindruck erwecken, er habe das alles fürs Fernsehen gedacht. Auf der sehr breiten Spielfläche kann der schnelle Szenenwechsel nur mit Ach und wirklich Krach vollführt werden, nämlich mit dem lauten Schnarrgeräusch, das jede Kies-Begehung bringt – ein Knirschen, das hier aber auch ohnedies im Getriebe ist. Reinhard Papula sucht sein Regieheil deshalb im Übertreiben auf Slapstick-komm-raus. Jede Geste der Strand-Fuzzis muß klamottig sein, bis hin zur Homo-Tour, und kein Wort kommt ohne Getue. Immerhin hält Volker Weidlich achtbar den Ufo als staunäugiges Wesen durch, Ekkehard Halke ist als Barmann im stummen Spiel sehenswert (…). Iris Beyer (Moni) und Jutta Schröder, mit Sextextilien ausgestattet von Ilona Pfitzner, sind die Damen, die noch anderen Kies wollen als den rumliegenden. Im mittleren Beifall für diese Uraufführung dann der Autor. Sein Stück sagt wohl auch einiges über den deutschen Dramatiker-Markt von heute.
Heinz Mudrich: Unter deutschen Urlaubern: der arme Kerl vom anderen Stern. In: Saarbrücker Zeitung, 10./11.2.1990.
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Das Stück liest sich flott, eine leichtfüßig dahertändelnde, ironische Komödie, wohl auch als ein hingetupftes Impromptu in Sachen Zeitgeistkritik und Katastrophismus gedacht, kurzum: vergnügliche Kost mit ein paar gedanklichen Tiefbohrungen. (…) Horstmanns Stück ironisiert die gängigen Topoi und literarischen Gattungen, es spielt genüßlich mit Klischees und trivialen Elementen, ja, auch mit dem Kitsch; es ist eine wilde Mixtur aus Comic und Apokalypse, aus Bumstourismus-Persiflage und Science-fiction-Parodie. Horstmann spießt den Wahn der Amüsiergesellschaft auf, zeigt das Wölfische im Touristischen. Sensibel, zugleich distanziert, und mit kühler Intellektualität müßte diese Katastrophen-Kalauer-Komödie, dieser Liebe-Triebe-Hiebe-Reigen serviert werden, doch Regisseur Reinhard Papula hat sich fürs Grobe entschieden; überall wird den Horstmannschen Trivial-Versatzstücken noch eins draufgesetzt, in dumpf-greller Effektsucht alle spielerischen Zwischentöne niedergewalzt. Dampfend und grölend feiert sich die Neckermann-Kultur an diesem Abend selbst. Das war nicht witzreich und nicht witzig, ironisch oder sonstwie erhellend, sondern nur noch angestrengt-heiter, albern und öde.
Eckhard Francke: Verneinung der Welt. In: Stuttgarter Zeitung, 1.3.1990. (Zu: „Ufo“)